Unterwegs im Rebberg

Winzerbesuche – Piemont 2012

Pascal Froidevaux | 05.01.2012 | Lesezeit 4 Min. Winzerbesuche – Piemont 2012

Wie verführerisch und verlockend nah ist doch das kulinarische Mekka und Weinparadies Piemont für uns Schweizer. Kaum lässt man Mailand hinter sich, dient die Poebene als Plattform, sich einzustimmen auf die von Rebzeilen überzogenen Hügel, die in ein-zwei Stündchen den (hungrigen und durstigen) Besucher empfangen.

Die markante Krete mit der Silhouette von Barbaresco grüsst bald, und schon ist man im Herzen dieser Weinregion, welche unvergleichliche Weine hervorbringt.

Empfangen werden wir am Dienstag 9. Oktober in La Morra bei unserer «geschichtsträchtigsten» Partneradresse: dem Weingut Marcarini. Dessen erster Wein unter dem Marcarini-Etikett war der 1958er, seit den 60er Jahren ist der Marcarini Barolo in unserem Sortiment. Einige letzte Flaschen aus dieser Zeit liegen noch in unserem Weinarchiv und zeugen auch heute noch von wunderbarer Langlebigkeit. Seit Anfang der 90er Jahre führen Luisa Bava (sie ist eine Marcarini) und Ehemann Manuel Marchetti das Weingut mit Liebe und Fingerspitzengefühl. Sie wissen über den weinkulturellen Schatz ihrer Weine und Lagen, nie würden sie für einen Modetrend die traditionelle Stilistik ihrer Weine einem effektheischenden Zeitgeist unterwerfen. Und sie haben insofern recht behalten, als dass die «Barrique- und Blockbuster-Trendwelle» aus den 90er Jahren ziemlichen Schiffbruch erlebt hat. Authentizität hat sich durchgesetzt zugunsten einer eigenständigen Weinkultur.

Mitten in der Ernte – der Nebbiolo wird just eingefahren – geniesst das Martel-Team mit den Marcarinis ein wunderbares Mittagessen und eine Degustation, die uns einen neuen Wein ins Sortiment hievt: den Lasarin. Es ist ein Nebbiolo Langhe, ein Klassiker aus dieser wichtigsten Traube des Piemonts, von jüngeren Rebstöcken, mild, und doch typisch feinherb, perfekt als Jungwein für den jetzigen Konsum. Zum Nachtisch darf dann der Moscato d’Asti nicht fehlen, ein perfekter Verführer mit bekömmlich milden 4 bis 5 % Alkoholgehalt.

Nach der Rebbergsbesichtigung der legendären Brunate-Lage unser nächster Barolo-Trumpf: Elvio Cogno, der ehemalige Vinificatore des Marcarini-Brunate. Heute steht dieser Name für ein relativ junges Weingut, das Elvio mit seiner Tochter Nadia und Ehemann Valter Fissore aufgebaut haben. Das grosse, hellgelbe Gehöft steht an reizvoller Hügellage bei Novello, umzingelt von seinen eigenen Rebbergen, man geniesst einen wunderbare Aussicht auf Barolo, Monforte und die Hügelzüge bis zum fernen, monumentalen Viertausender Mon Viso in den südlichsten Alpen, nur 100km Luftlinie vom Mittelmeer entfernt.

Bei einer eindrücklichen Degustationstour durch die modernen Keller brillieren Barolo, Barbera und Dolcetto. Valter Fissore weiss sie pur, sortentypisch und schmackhaft-intensiv zu vinifizieren.

Am Abend folgt dann das piemontesische Herbst-Ritual par excellence: Tartufi d’Alba, unvergleichliche weisse Albatrüffel. Er ist zweifellos ein rarer Luxus, aber zumindest einmal im Jahr muss man sich diese kostspielige Sünde gönnen. Wir erleben sie im Kontext der ausgezeichneten Küche im sympathischen Lokal in Novello, L’Angolo di Rosina, zu frischem Eierraviolo: einzelne grosse Teigtaschen, welche ein ganzes Eigelb umfassen… ein Gedicht.

Der zweite Tag beginnt beim sympathischen «Kämpfer und Botschafter» für die Dolcetto-Traube: Orlando Pecchenino. Der Dolcetto-Wein trägt dolce im Namen, ist aber nicht süss. Er hat eine herrliche Frucht, einen unbekümmerten Ruf der Süffigkeit… doch zeigt er sich hier in Dogliani als lagerfähiger und strukturierter Klassewein. Sie ist aber auch die fragilste Traube der Region, die nur mit viel Liebe und Aufwand erfolgreichen Ertrag einbringt.

Nach dem Dolcetto ist Arneïs das Thema. Ein Spezialist der besonderen Art ist die Familie Negro. Was für eine eingeschweisste Gemeinschaft von Vater und Kindern, welche sich alle mit Enthusiasmus und Einsatz für die tolle Negro-Weinwelt einsetzen. Herrliche Lage des Weingutes im Roero-Gebiet mit Blick auf Rebhügel und eigene Kompostanlagen: man optimiert auch hinsichtlich biologischem Anbau und Nachhaltigkeit. Und die Mutter bereitet ein leckeres, piemontesisch reiches Menu zu, das die Negro-Weine perfekt in Fahrt bringt. Das Weingut hat Wurzeln bis zurück ins Jahr 1670. Wir sind besonders begeistert vom Lagenwein Perdaudin: ein ArneÏs der Extraklasse, der nun bei uns in seiner mineralisch komplexen Art ein idealer Partner ist zu unserem fruchtigen Negro-Arneïs Serra Lupini.

Zum letzten Rendezvous geht es nach Barbaresco in die Keller des kleinen Weingutes Cascina Luisin, wo Roberto Minuto uns seine neusten Barbera- und Barbaresco-Weine zeigt. Auch sie sind, wie alle Weine unserer Besuche, ganz in der Tradition des klassischen Piemonts vinifiziert, also im grossen Holzfass. Ein grossartiger Barbaresco 1988 beweist uns zum Abschluss, dass hier nicht nur ausgezeichnete, authentische Weine produziert werden, sondern auch langlebige.

Fazit einer intensiven Tour: das Piemont kann man nicht oft genug besuchen. Und wir freuen uns auf unser November-Spezial «Italien» mit Degustation am 15. November in unserem Lagerhaus und mit Samstagsdegustationen in unseren Ladengeschäften. Seien Sie mit dabei!
Willkommen bei Martel.

Impressionen