Rückblick

Bordeaux Primeurs 2012

Pascal Froidevaux | 04.03.2012 | Lesezeit 4 Min. Bordeaux Primeurs 2012

Und schon wieder ein schwieriger Jahrgang! Also schon wieder ein année du vigneron, wo der Winzer entscheidet, ob er eine positive Überraschung keltert, oder ob er bestenfalls Mittelmass zustande bringt.

Auf jeden Fall war im 2012 ein grosser Aufwand nötig, um den schwierigen klimatischen Bedingungen Herr zu werden. Frühling und Frühsommer mit viel Regen waren bedrohlich und verlangten Massnahmen gegen Fäulnis und Pilzkrankheiten. Was dann folgte, war das pure Gegenteil: ein viel zu trockener und heisser Sommer brachten Stress und damit auch eine Reifungshemmung, immerhin aber ein Ansteigen des Zuckergehaltes und gute, dicke Beerenhäute. Ende September erlöste ein willkommener Regen die Blockade. Der Endspurt konnte beginnen, bedroht jetzt natürlich von feuchten Bedingungen, welche der Botrytis-Fäulnis Tür und Tor öffnen. Überall war der Erntezeitpunkt vergleichsweise spät.

Offensichtlich war jetzt natürlich die früher reifende Merlottraube im Vorteil. Aber für alle Sorten war entscheidend, dass dem exakt richtigen Erntezeitpunkt massegebliche Bedeutung zukam. Das verlangt immer Fingerspitzengefühl, etwas Glück und die richtigen Mittel: ein grosses, erfahrenes und schnelles Ernteteam. Eine zu frühe Ernte führte vor allem zu trockenen, unreifen Tanninen. Eine zu späte Ernte erkannte man an wenig frischen Aromen und einer fehlenden Harmonie.

Qualität zu erhalten, bedeutete im 2012 auch, im Rebberg und bei der Selektion der Ernte Abstriche die Erntemenge zu reduzieren. Teilweise waren die Einbussen rekordverdächtig. Sie lagen gegenüber einem guten Erntejahr mit circa 40 bis 45hl/ha bei lediglich 30 bis bestenfalls 38hl/ha. Die überzeugenden Weine zeigen sich mit einer herrlichen, offenen Frucht. Klassiker mit einem Reichtum an Aromen und Tanninen, welche dank guter Reife geschmeidig und seidig sind. Profiteure und im Vorteil sind in solchen Jahren sicher auch diejenigen, welche über alte Rebstöcke verfügen, welche dem Wetterstress besser widerstehen, und über ein vorzügliches Terroir verfügen, die der Pflanze optimale Bedingungen geben und somit nebst charaktervoller Frucht Gesundheit, Kraft und Robustheit.

2012 zeigt sich als ein einmaliger Jahrgang, der kaum Vergleiche zulässt. Er liegt qualitativ allgemein eher etwas über dem Jahrgang 2011. Es ist zwar kein année exceptionnelle, aber ein sehr erfreuliches Jahr, das früh schon Freude machen dürfte, mit einem mittleren Lagerpotential von rund zwei Jahrzehnten. Mit anderen Worten: ein willkommener Jahrgang, der wie 2001, 2006 oder 2008 über viele Jahre hohen Genuss verspricht, währenddessen man die ganz grossen Jahrgänge geduldig der Zukunft entgegenschlummern lassen kann.

Bei den Preisen wünschte man sich wie schon beim 2011er eine Rückkehr auf das vernünftige Niveau von 2008. Abschläge – in welcher Höhe auch immer – bringen aber leider unabhängig vom Erfolg des 2012ers den bis jetzt nur wenig verkauften Jahrgang 2011 und seine Preise in eine unangenehme Lage.

Und am 18. April setzte tatsächlich der legendäre John Kolasa, früher directeur von Château Latour, heute von Rauzan-Ségla, einen Markstein: er fixierte den Preis für seinen Top-Margaux zurück auf das attraktive Niveau des Jahrgangs 2008, 38% unter dem 2011er! «Il faut donner la main aux clients», wie er sich ausdrückte. Dieses mutige Zeichen machte Schule, allerdings nicht überall und auch nicht überall im selben Masse! Lynch Bages zog nicht ganz nach (minus 13%), aber Mouton doppelte tatsächlich nach. Der Premier Cru in exzellenter Qualität, in der Art des 2006ers, zeigt Führungsqualitäten und senkte den Preis um einen Drittel. Bei den nicht so «hyperisierten» Weinen im Bereich Cru Bourgeois ist die ganze Problematik der Preisachterbahn hinfällig: diese Weine halten ihre Preise unabhängig aller Umstände sehr regelmässig auf einem vernünftigen Niveau.

Ein Wort noch zu Sauternes: leider regnete es andauernd während der Zeit, während die Botrytis-Trauben einschrumpfen sollten. Dies verhinderte die Konzentration, sodass 2012 kein grosses Dessertweinjahr wird.

Bei den 2012ern gibt es in Sachen Preis/Genuss spannende Weine zu erstehen. An den Degustationen hat uns nebst den qualitativ überzeugenden Premiers Crus und einigen «Values» folgendes Dutzend besonders gut gefallen:

  • Montrose
  • Calon Ségur
  • Pichon-Baron
  • Pichon-Lalande
  • Léoville-Poyferré
  • Ducru-Beaucaillou
  • Rauzan Ségla
  • Malescot-Saint-Exupéry
  • Ferrière
  • Pape-Clément
  • Canon
  • Clos de l’Oratoire

Unser nachfolgendes Angebot ist noch nicht vollständig, aber sicher werden wir es kompakt halten und nur sehr selektiv in Subskription einkaufen.