Unterwegs im Rebberg

Winzerbesuche – Toscana 2015

Pascal Froidevaux | 01.01.2015 | Lesezeit 4 Min. Winzerbesuche – Toscana 2015

Wer aus den nicht übertrieben milden Klimazonen der Schweiz Mitte April bei schönstem Wetter durch die Toscana zieht, staunt doch, dass viele der Rebstöcke noch im grünlosen Winterkleid erscheinen und erst vor dem oder just am Austreiben sind. Der Jahrgang 2015 beginnt seine Geschichte, und die Winzerbesuche machen schnell klar, dass man sich ein deutlich einfacheres Weinjahr wünscht als 2014, das als «molto complicato» umschrieben wird. Am meisten litt zwar die Oliven(öl)produktion, doch auch bei den Spitzenwinzern mussten durch strenge Selektion und klimatische Tücken mengenmässig bedeutende Einbussen akzeptiert werden.

Martel - Rebstock

Montalcino mit grossen Jahrgängen

Doch wenden wir uns den begeisternden Neuigkeiten zu: mit dem 2010er steht die Lancierung eines der überragenden Jahre für den Brunello an. Der Jahrgang steht an der Spitze von einem ausgezeichneten Quartet bis 2013. Auf San Filippo nahe am Städtchen Montalcino, dem biologisch geführten Weingut von Roberto Gianelli, degustieren wir Weine von unglaublicher Dichte und Komplexität.

Martel - Roberto Gianelli

Ebenso überzeugend und brillant die Nardi-Weine vom abgelegenen, idyllischen GutCasale del Bosco, stilistisch ebenso klassisch wie eigenständig unter anderem dank eigenen, von den Nardi-Rebbergen geprägten und auf sie abgestimmten Sangiovese-Grosso-Klonen : ausgewogen, überaus attraktiv, Toscana pur.

Martel - Nardi-Weine

Keine Frage : die grandiosen Vorschusslorbeeren, mit welchen dieser Jahrgang ausgezeichnet wird, sind nicht zufällig und vollauf berechtigt. Grosse Jahrgänge sind fast immer von Anfang an mit grosser Freude zu geniessen, wer aber ein paar Blue Chips für die Zukunft einkellern will, kann hier grosszügig investieren.

Chianti Classico von Weltklasse

Martel - Castello di Ama
Martel - Marco Pallanti

Aus den Hügellagen der Chianti-Classico-Kernzone kommen die besten und spannendsten Weine dieser heute Weltklasseweine produzierenden Denomination. Landschaftlich ist das waldige Gebiet besonders reizvoll, weil man hier seit jeher als Selbstversorger das Gegenteil von Monokultur pflegt, auch wenn Trauben-Gärten und Olivenhaine natürlich dominieren.

Drei Weingüter – drei Welten: unterschiedlicher kann man sich unsere Produzenten und die Aura ihrer Azienda nicht vorstellen. Aristokratisch und traditionell wirkt der Weiler Ama bei Lecchi unweit von Gaiole, im Zentrum steht das Castello di Ama mit seiner spektakulären modernen Kunstsammlung, welche sich in Garten, Keller und Innenräumen eingerichtet hat. Perfekt die Rebbergsanlagen, die Olivenölpresse vom feinsten. Von Herzen strahlt Marco Pallanti mit einer Horizontale seiner grandiosen Jahrgänge 2013 und 2011. Die Degustation lässt keine Frage offen : wenn Stolz berechtigt ist, dann hier. Fazit: Tradition und Innovation in bestem Einvernehmen.

Martel - Weingut Pallanti
Martel - La Massa

Imposant die Anfahrt über eine Schotterpiste zur von weitem bescheiden wirkenden neuen Kellerei von Giampaolo Motta: La Massa. Die Innereien verblüffen in ihrer raffinierten Verbindung von perfekter Funktionalität und brillanter Coolness der modernen Architektur. Das Ensemble ist ein Gemeinschaftswerk des führenden Kellerbauers der Bordeaux-Elite und dem smarten Motta, der in Farbe und Material des Stahltankkellers sein Faible für den Autorennsport und den Ferrari-12-Zylinder-Motor aufblitzen lässt. Gleichzeitig genial – und zum Schmunzeln. Eindrücklich einmal mehr der Gang durch den Rebberg mit seinen minutiös Quadratmeter um Quadratmeter genauestens analysierten Böden, jede Traubensorte und jede einzelne Rebe steht exakt am Ort, wo es ihr am besten «behagt». Fazit: ein perfektionistisches Pionierweingut mit einem für seinen Preis phänomenalen, Sangiovese-dominierten La Massa, einem edlen Bordeaux-Blend (Giorgio Primo) und – das wird spannend: einem neuen reinen Sangiovese, Gemeinschaftswerk von Motta, seinem Technischen Direktor Francesco Bufalini und Freund/Berater Stéphane Derenoncourt: der nach Mottas Tochter benannte Carla. Fazit: Extraklasse.

Im nahen Panzano ist ein Mahl bei Italiens berühmtesten und humorvollsten Metzger Dario Cecchini ein Muss, seine «MacDarios», im angebauten Bistrot live zu geniessen, haben den Hamburger in die Kultklasse erhoben. Darios Credo: wenn man schon Tiere isst, dann sollen Sie das bestmögliche Leben gehabt haben, und Ehrensache, dass jedes Gramm liebevoll verwendet und nichts vernichtet wird.

Irgendwie passen La Massa und dieser witzige Betrieb total zusammen.

Martel - MacDarios

Und zum Finish der Toscana-Runde dann das heute atemberaubende Gastronomie-Gut von Castella La Leccia, unsere kleine und feine Adresse für exzellenten Chianti in verblüffend attraktiver Preisklasse. Hohe Schule des Agriturismo. Die Sicht von Castellina am Rande der Chianti-Hügel hinunter in die Toscana-Weiten ist hinreissend. Ferien – auf schönst Art «abgehoben».

Fazit: Was Franceso Daddi hier in Hof und Keller leistet, da kann man nur den Hut ziehen: Capello – Chapeau!

Martel - Franceso Daddi

Freuen Sie sich auf grosse Weine, ein toller 2010er setzt sich demnächst zu einem famosen Limited Edition-Preis in Szene.