Winzerbesuche – Bordeaux 2017
Es ist ein reizvolles Ritual, allerdings wiederholt sich auch vieles und zahlreiche Fragezeichen betreffend Sinn und Unsinn von (ehrlichen?) Fassproben bleiben seit Jahr und Tag bestehen. Doch Jungweine aus Bordeaux zu probieren und zu vergleichen, ist in Sachen Eintauchen in die junge Frucht von Cabernet, Merlot und Konsorten ein wahrer Genuss. Was früher etwa von Hugh Johnson als ein garstiges, gerbstoff- und säurebetontes Erlebnis geschildert wurde, präsentiert sich heute oft als ein herrliches Verkosten von betörenden Essenzen, Nektaren und von feinstoffigem Fruchtextrakt.
Beim Jahrgang 2016 darf man zurecht euphorisch werden. War 2014 der Jahrgang des Wunderherbstes mit klassischen, balancierten und aromatischen Weinen, eher elegant als massiv, und tendenziell zum eher früher Geniessen, überzeugte das heisse 2015 mit Kraft und Intensität. Eher hoch in den Alkoholgradationen, waren die gelungenen 15er Weine trotzdem von souveräner Balance und somit nahe an der Perfektion. 2016 wird nun tatsächlich die 2015er herausfordern. Wer über gutes Terroir verfügt, alte Reben (die jüngeren erlitten in der so heissen und trockenen Jahreshälfte Stress und Reifeblockaden) und wer die Feinbalance fand für den richtigen Erntezeitpunkt und die passende Assemblage, bei dem passte einfach alles. Selbst die sehr spät geernteten Weine wirkten bei unseren Proben vor Ort selten zu überreif-süsslich, denn kühle Nächte konservierten Säure und Frische.
Mit anderen Worten: Sie werden Weine erleben, welche in ihrer Sinnlichkeit betören, aber nicht mit Schwere ermüden. Die besten Weine zeigen wunderschöne Farbe, herrliche Konzentration, aromatische Perfektion. Selbst wer sich (hoffentlich) bereits mit 14ern und 15ern eingedeckt hat, sollte bei 2016 auf keinen Fall eine Pause einziehen. Selbstverständlich stellt das Budget zuweilen Grenzen auf, aber wie meistens bei grossen Jahrgängen hat man die Möglichkeit, auf die nicht zu kostspieligen Weine zu setzen, welche im 2014 bis 16 sehr oft sensationelle Werte darstellen. Das Niveau für aufgewendete 25 bis 50+ ist wirklich frappant.
Wie immer reflektiert unsere Selektion unser Engagement und unsere Begeisterung, unabhängig von der schreibenden Degustatorenzunft . Es ist eine sorgfältige und objektive, aber zwangsläufig auch eine subjektive Auswahl. Sie können natürlich davon ausgehen, dass wir sie selbst fürstlich benoten würden, was sich deshalb von selbst erübrigt. Santé mit einem weiteren überragenden 6er-Jahrgang!