Martel schenkt ein

Prost

Jan Martel | 05.03.2017 | Lesezeit 2 Min. Prost

Santé, Cheers oder Salute! Wir sitzen mit einem Glas Wein am Tisch und prosten uns zu. Mit dieser Tradition sind wir aufgewachsen und sie besteht in vielen Kulturkreisen seit Jahrhunderten. Im tiefen Mittelalter kam es regelmässig vor, dass sich verfeindete Personen mit vergiftetem Wein aus dem Weg schafften. Nicht jeder konnte sich seinen eigenen Vorkoster leisten und so löste man im Wirtshaus das Problem mit einem kräftigen Anstossen. Dadurch schwappte auch Wein von einem Becher in den anderen. Wer also am Tisch mit seinen Kameraden anstiess und gemeinsam trank, konnte nichts Böses im Schilde führen. Man meint es gut mit den Tischgenossen.

Heute schwappt beim gesellschaftlichen Zuprosten kein Wein mehr von einem Glas ins andere. Dafür haben sich verschiedene Rituale rund ums Zuprosten im Laufe der Zeit entwickelt und festgesetzt. Wir halten das Weinglas am Stiel und lassen die Gläser am Bauch mit einem sanften „Klirr“ zusammenstossen. Dabei schauen wir uns in die Augen und ergänzen dies allenfalls mit einem Trinkspruch. So weit, so gut. Sind aber an einem Tisch verschiedene Generationen und Kulturen vertreten, kann es ziemlich schwierig werden. Einzelne Paare lassen das Glas klirren und küssen sich anschliessend. Andere achten tunlichst darauf, dass sich die Gläser nicht überkreuzen. Traditionsbehaftete Italiener setzen das Glas vor dem Trinken nochmals auf dem Tisch ab, andernfalls drohe Unglück. Viele Spanier verweigern das Anstossen mit nichtalkoholischen Getränken aus dem Glauben, dass dies zu sieben Jahren schlechtem Sex führe. Im geschäftlichen Umfeld oder grösseren Gruppen wird zudem je länger je weniger angestossen. Man erhebt das Glas und blickt seinem Gegenüber in die Augen.

Kürzlich sass ich mit Weinfreunden aus aller Welt an einem grossen Tisch. Kulturmix pur. Wir genossen verschiedene Weine und bei jeder neuen Flasche startete das Prost-Theater von neuem: glückliche und verwirrte Blicke mischten sich, Geklirre links und Anstossverweigerer rechts. Es kann gedeutet werden, Fauxpas hier, Verwirrung und Staunen dort. Gelächter.

In unserer Multikulti-Gesellschaft empfehle ich Ihnen am Tisch ein herzliches aber schlichtes Anstossen mit dem ersten Glas Wein. Einmal genügt, keine Wiederholungen und sie erleben einen pannenfreien Abend. Prosit – es nütze!