Unterwegs im Rebberg

Winzerbesuche – Deutschland 2018

Matthias Kofmehl | 02.01.2018 | Lesezeit 8 Min. Winzerbesuche – Deutschland 2018

Ein hochkarätiges Winzer-Quartett aus den besten deutschen Weinregionen

Weingut Maximin Grünhaus – Familie von Schubert; Ruwer

Das Weingut Maximin Grünhaus zählt zu den traditionsreichsten Weingütern der Region. Es befindet sich bereits seit 1882 in Familienbesitz und steht unter der Leitung von Dr. Carl von Schubert und dessen Sohn Maximin. Das Weingut befindet sich an der Ruwer und ist gesegnet mit den drei Monopollagen Herrenberg, Abtsberg und Bruderberg, welche sich direkt beim Weingut befinden. Äusserst spannend ist es, die Lagen Herrenberg und Abtsberg zu vergleichen. Die Böden der beiden Lagen sind geprägt von rotem, respektive von blauem Schiefer. Zudem unterscheiden sich die beiden Lagen auch in der Hangneigung. Der Abtsberg fällt in der Regel elegant und mineralisch aus. Herrenberg ist meist etwas kräftiger und opulenter.

Martel - Dr. Carl von Schubert
Dr. Carl von Schubert

In der Jugend sind die Weine von der Spontanvergärung geprägt, weisen zudem eine der Ruwer eigene Kräuterwürzigkeit auf und verfügen über ein enormes Reifepotenzial. Das Lesegut wird eingemaischt oder durch Ganztraubenpressung verarbeitet und nach natürlicher Klärung im kühlen Keller auf die gewünschte Temperatur gebracht. Die Vergärung findet im Eichenfass, der Fuder, oder im Stahltank statt, stets mit weinbergseigenen Hefen. Seit kurzem greift man für die Produktion der Fuderfässer auf die gutseigenen Eichenwälder zurück und lässt diese von einem Küfer in der Umgebung fertigen.

Der Riesling ist mit etwa 90% die mit Abstand wichtigste Rebsorte. Trocken ausgebaute Varianten gewinnen mehr und mehr an Wichtigkeit.

Martel - Schloss Lieser
Schloss Lieser – Thomas Haag; Mosel

Es ist beeindruckend zu sehen, was Thomas Haag zusammen mit seiner Frau seit den 90er Jahren erreicht hat. Fast aus dem Nichts haben Sie das Weingut Schloss Lieser, welches sich damals in einem sehr schlechten Zustand befand, zu Weltruhm geführt. Der einfache Weg wäre sicherlich gewesen, auf dem elterlichen Weingut Fritz Haag einzusteigen und dieses zu führen. Den Erzählungen eines Thomas Haag zu folgen, heisst jedoch auch, einem optimistischen Kämpfer zuzuhören, welcher – ein hohes Ziel vor Augen – unbeirrbar seinen Weg geht.

Alle Weine des Weinguts stammen aus Parzellen, welche sich entweder im Besitz von Thomas Haag befinden oder von ihm gepachtet sind. Die Weine präsentieren sich unvergleichlich pur, klar und strukturiert. Sie sind terroirbetont, elegant und verfügen über eine prägnante Säure. Selbstredend werden die Weine spontan vergoren, weisen allerdings keinerlei unerwünschte Aromennuancen auf, wie sie zuweilen vorkommen können.

Das Weingut verfügt zurzeit über 24 Hektar Rebland, aufgeteilt in 180 verschiedene Rebberge/Parzellen. Eine äusserst präzise Selektion wird jeweils bereits im Rebberg von den 3 Vollzeitmitarbeitern und den 9 Hilfsarbeitern vorgenommen. Thomas Haag macht den Keller alleine und verlangt während der Ernte von sich selbst 100%ige Konzentration, weshalb er während dieser Zeit auch gänzlich auf Alkohol verzichtet. Thomas Haags Fokus auf das Regionale und das Terroir sowie sein traumwandlerisch sicheres Gespür legen eine wunderbare Basis, sodass es einem hoch erfreulichen Coup gleichkommt, dass er seit 2016 mittels Kauf oder Pacht Parzellen aus solch prestigeträchtigen Lagen wie Bernkasteler Doctor und Wehlener Sonnenuhr unter seine Fittiche nehmen konnte. Thomas Haag zaubert quasi den Schiefer unmittelbar und direkt in die Flasche.

Martel - Tim Fröhlich mit Jan Martel
Tim Fröhlich mit Jan Martel

Weingut Schäfer-Fröhlich – Tim Fröhlich; Nahe

Seit 1800 und mittlerweile in sechster Generation betreibt die Familie Fröhlich ihr Weingut in Bockenau. Das Weingut nennt mittlerweile 25 Hektar Rebland sein eigen und produziert um 120’000 Flaschen jährlich. Ca. 30’000 Flaschen davon entfallen auf die Perlen des Portefolio, die Grossen Gewächse aus sechs Lagen. Früh genug hatte Tim Fröhlich das Auge und den Weitblick für diese besten Steillagen, welche er kaufen oder eintauschen konnte. Die meisten dieser Lagen verfügen über extrem felsige Böden, was dann zum Vorteil wird, wenn die Reben durch ihr Alter bis zu 10 Meter tief wurzeln.

Die Stilistik der Weine ähnelt ein bisschen derjenigen von Thomas Haag von Schloss Lieser. Für die beiden befreundeten Winzer ist das Herausarbeiten des Terroirs oberstes Gebot und um dieses Ziel zu erreichen, ist ihnen kein Aufwand zu gering. So werden beispielsweise vor dem definitiven Kauf der Korken an die 200 Probekorken getestet für eine optimale Qualität.

Die Lagen mit ihren unterschiedlichen Gesteinsböden bilden das Fundament für unverwechselbare, authentische Rieslinge. Handlese von gesunden Trauben und niedrige Erträge bilden die Grundlage für Spitzenqualität. Genauso wie penible Selektion. Die Trauben müssen bei der Ernte über eine gut gespannte Haut verfügen. Dies ergibt knackige Weine. Schäfer-Fröhlich Weine stehen für einen eigenständigen Lagencharakter und präzise, puristische Mineralität. Im Keller des Weinguts Schäfer Fröhlich wird auf natürliche Prozesse vertraut. Der Einsatz von Spontanvergärung und wilden Hefen erfordert absolut exaktes Arbeiten. Dieser Perfektionismus zeigt sich auch darin, dass die genau abgestimmten Tanks jedes Jahr wieder für dieselben Weine verwendet werden.

Fazit dieses kompromisslosen Engagements: bei Schäfer-Fröhlich entstehen Weine der absoluten Spitzenklasse.

Martel - Weingut Robert Weil
Weingut Robert Weil – Gutsleiter Jochen Becker-Kühn; Rheingau

Das Weingut Robert Weil ist die ausserhalb Deutschlands wohl bekannteste deutsche Weinadresse. Die ersten Rebberge wurden 1867 von Dr. Robert Weil gekauft und heute leitet Dipl. Ing. Wilhelm Weil die Geschicke des Betriebs. Trotz einer Produktion von 800’000 Flaschen pro Jahr wird viel Wert auf Handarbeit gelegt. Das Weingut verfügt über 90 Hektar Rebland, welches einzig mit Riesling bepflanzt ist.

Die Weine präsentieren sich – aufgrund der Bodenzusammensetzung, welche eine bessere Wasserspeicherung garantiert und die Rebe nicht ganz so tief wurzeln lässt – etwas fülliger als beispielsweise in der Nahe. Ebenfalls zeigen sich die Weine jung schon recht zugänglich. Sie sind geprägt von den Mineralien der Schieferböden, fruchtbetont, aber auch vielschichtig in der Aromatik. Der alleinige Fokus auf die Rebsorte Riesling, das Limitieren des Ertrages, eine selektive Handlese und ein äusserst schonender Ausbau im Keller sind die Garanten für die Erzeugung individueller und großer Weine, welche Tradition und Moderne vereinen. Obwohl die Erderwärmung die Winzer beschäftigt und auch Mehrarbeit fordert, führt das veränderte Wetter zwar oft zu Mengeneinbussen, aber nie zu qualitativ weniger starken Jahrgängen. Für das Weingut Robert Weil besteht zudem die Möglichkeit, höhere Lagen vermehrt zu nutzen. Vorteilhaft erweist sich auch die Tatsache, dass die immer älter werdenden Reben die so elementar wichtige Säure immer besser zu bewahren wissen.

Martel - Keller Robert Weil
Im Keller von Robert Weil

Der Jahrgang 2017

Die von uns bei den genannten Winzern probierten Weine waren mehrheitlich bereits 2017er. Erfreulich, dass trotz extrem früher Ernte in diesem Jahr (bedingt durch einen sehr heissen Sommer) alle Winzer sehr präzise, klare und vor allem frische Weine in die Flasche gebracht haben. Hieran erkennt man, dass es „schlechte“ Jahre mit mangelhafter Reife schlichtweg nicht mehr gibt. Mengenmässig kleine Jahrgänge gibt es natürlich leider, bedingt durch immer extremeres Wetter mit Frost, Hagel und teilweise zu langen Trockenperioden immer öfter.

Die immer besser werdende Technik und vor allem die Erfahrung der Winzer macht es möglich, dass der Konsument heutzutage ein grosses Jahr nach dem anderen geniessen darf. War schon 2015 ein tolles Jahr, steht nach 2016 mit den frischen 17ern bald ein weiterer exzellenter Jahrgang zur Verfügung: an der Mosel teilweise mit etwas mehr Kräuterwürze, an der Nahe mit fast noch mehr Präzision, Frische und Klarheit als 2016 und auch im Rheingau mit tollen Weinen,die den sensationellen 2016ern in nichts nachstehen.

Kurzüberblick der besuchten Weinregionen:

Mosel

Das Weinanbaugebiet der Mosel (inklusive der zugehörigen Gebiete der Saar und der Ruwer) umfasst knapp 8800 Hektar Rebflächen, welche von ca. 3200 Winzerbetrieben bewirtschaftet werden. Gut 40% der Rebflächen befinden sich an den Steilhängen der Flusstäler. Die Rebflächen sind geprägt von Schiefergestein und aufgrund der Hangneigung oft nur zeitaufwändig und nur manuell zu bewirtschaften.

Nahe

Rund 4200 Hektar Rebland werden im Anbaugebiet der Nahe bewirtschaftet. Das Klima ist ausgeglichen, mild und regenarm. Die Reben gedeihen auf sanftem Hügelland, teilweise auch auf Steillagen. Die Bodenbeschaffenheit der Region ist sehr vielfältig und reicht von Schiefergestein über Quarz und Porphyr bis hin zu Sandstein, Löss und Lehm. An der oberen Nahe inklusive den Seitentälern ist das Klima von den kühleren Luftmassen der Mittelgebirge geprägt. Dies hat eine spätere Reifung der Trauben zur Folge. Das ist besonders vorteilhaft für das Aroma und die Säurestruktur des Rieslings. Rassige, fruchtige und schlanke Weine sind das Ergebnis. Die Nahe verfügt über eine sehr hohe Dichte an VDP GG-Lagen (Grosses Gewächs).

Rheingau

Im Weinanbaugebiet Rheingau werden ca. 3200 Hektar Reben bewirtschaftet. Sehr häufig befinden sich diese – aufgrund des Verlaufs des Rheins nach Westen – an Südhängen direkt am Fluss. Die Reben sind deshalb einer starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Der Rheingau verfügt über eine reichhaltigere Bodenbeschaffenheit als die Mosel oder die Nahe, vielfach bestehend aus Lehm und Löss. Ebenfalls ist das Gebiet einiges flacher und verfügt über weniger an Steillagen. Diese Faktoren führen zu fruchtbetonten, eher dichten Weinen.

Martel - Martel Team mit Dr. Carl von Schubert
Das Martel Team mit Dr. Carl von Schubert im Abtsberg