Unterwegs im Rebberg

Bordeaux – Hot Spot der Weinkultur

Philippe Gallusser | 03.09.2019 | Lesezeit 5 Min. Bordeaux – Hot Spot der Weinkultur

Die letzte Juniwoche verheisst nichts Gutes für unsere Reise ins Bordeaux: Eine gewaltige Hitzewelle rollt auf Westeuropa zu. Es werden über 40°C erwartet in der Stadt. Ganz so schlimm wurde es schliesslich nicht, teilweise 39, 40°C. Immer wieder zeigte sich, warum die Region auch in Zeiten der Klimaerwärmung so gut geeignet ist für den Weinbau: Teilweise begann der Tag herbstlich anmutend mit Nebel und recht kühlen Temperaturen – der nahe Atlantik lässt grüssen!

Der Fokus unserer Reise war der Besuch unserer Lieferanten, mit welchen wir direkt in Kontakt stehen und teils langjährige Beziehungen pflegen.

Domaine de L’A

Christine, die Frau des bekannten Weinconsultant Stephane Derenencourt führt uns mit ihrem Cabrio durch ihre Weingärten in Castillon. Sehr ähnlich zum herausragenden Terroir des Plateaus von St.Emilion haben wir auch hier kühle Lehmkalkböden. Die Derenencourts vergrössern nach und nach den Anteil von Cabernet Franc, welcher noch mehr Frische in den Wein bringt. Die Vertikale von 2013 bis 2018 des Domaine de l’A zeigt das Reifepotential und die Qualität dieses Weins: viel Frische, feinkörnige Gerbstoffe und ein komplexes Aromenbild. Wir sind beeindruckt, was für tolle Weine hier Jahr für Jahr vinifiziert werden!

Bordeaux Domaine de l'A
Le terroir (Foto: Domaine de l’A)

Château Chambrun/ Château Moncets

Wir werden von Julien Noel, dem Co-Geschäftsleiter und passionierten American Football-Spieler, herzlich empfangen. Die Weine der beiden Châteaux haben wir erst im letzten Herbst ins Martel-Sortiment genommen. Umso mehr sind wir gespannt, dieses Gut vor Ort kennenzulernen. Die Rebberge liegen nur einen Steinwurf entfernt von der legendären Appellation Pomerol. Bei der Besichtigung der Rebanlagen erklärt uns Julien, dass besonders 2017 und teilweise auch dieses Jahr viele Rebstöcke vom Spätfrost betroffen waren. Ein Problem, das im gesamten Libournais in den letzten Jahren vermehrt aufgetreten ist – die Folge von einem viel zu frühen Vegetationsbeginn und verspäteten Kaltlufteinbrüchen.

Das in die Jahre gekommene, von einem herrlichen Park umgebene Château Moncets, soll in Kürze aufwendig renoviert werden und in ein ganz dem Weintourismus verschriebenen Hotel verwandelt werden, mit Château Petrus ganz in der Nähe.

Dank Investitionen einer finanzkräftigen, belgischen Familie und dem begeisternden und tatkräftigen Julien, wird das Potential aus den Weinen richtiggehend herausgekitzelt. Die Weine besitzen eine herrliche Saftigkeit und eine tolle «pomerol’sche» Struktur, welche nach etwa zwei oder drei Jahren voll zur Geltung kommt. Gerade die Jahrgänge 2015 und 16 begeistern uns sehr.

Bordeaux Château Moncets Château Chambrun
Château de Chambrun und Château Moncets

Château Mondorion

Thiebault Cruse ist trotz seiner Abstammung aus einer bekannten Bordelaiser Négoce-Familie ein Quereinsteiger in Sachen Wein. Hat er doch mehr als sein halbes Berufsleben für einen amerikanischen Grosskonzern gearbeitet. Seinen Traum nach mehr Bodenhaftigkeit und Nachhaltigkeit hat er sich mit dem Erwerb von Château Mondorion erfüllt. Seine Weine zeigen neben einer schönen Eleganz auch viel Körper und Druck. Mit 2015 und 2016 können wir uns auf 2 Top-Jahrgänge freuen! Wir hatten zudem die Möglichkeit, Thiebaults neue Errungenschaft zu verkosten: Château Beau-Soleil, ein nur 4ha grosses Weingut im Pomerol. Wir sind von der Qualität und dem ausgezeichneten Preis-Leistungsverhältnis beeindruckt und entscheiden uns voller Freude, den Wein in unser Sortiment aufzunehmen!

Bordeaux Château Mondorion
Château Mondorion

Château l’Eden

Auch unser nächster Besuch bringt uns zu einer Neuentdeckung, welche erst seit kurzem bei Martel exklusiv erhältlich ist: Chateau l’Eden, ein 7 Hektar grosses Weingut, am nördlichen Zipfel des Médoc’s gelegen. Das nahe Meer und die kaum mehr als ein Steinwurf entfernte Gironde erbringen ein wohltemperiertes, ausgeglichenes Klima. So macht Bordeaux richtig Spass: unkomplizierte Beerenfrucht, gut stützende Gerbstoffe und ein herrlicher Trinkfluss!

Bordeaux Château l'Eden
Fabien Faget vom Château l’Eden

Château Thieuley

Schon jahrzehntelang stehen die Weine von Thieuley im Martel-Regal. Daraus ist eine lange freundschaftliche Beziehung zur Familie Courselle entstanden. Bei unserem Besuch auf dem südöstlich von Bordeaux gelegenen Weingut hatten wir die Möglichkeit, auch ältere Jahrgänge zu verkosten. So zeigt beispielsweise der weisse 2011 mit seiner herrlich exotischen Frucht und seiner feinen, von der Säure getragenen Struktur, wie gut Bordeaux reifen kann. Ein Wein wohlgemerkt, der nicht mehr als CHF 13 kostet!

Bordeaux Château Thieuley
Der Keller des Château Thieuley

Grand Enclos de Cérons

Der sympathische und scharfsinnige Kosmopolit Giorgio Cavanna empfängt uns bei glühender Hitze in seinem kühlen Landhaus. Er ist Italiener und wohnt teils in Genf, teils hier auf dem Weingut. Auch hier verkosten wir uns durch verschiedene Jahrgänge, vom mineralischen Weisswein zum ausbalancierten Roten bis hin zu den dichtgewobenen Süssweinen aus der direkt neben Sauternes/Barsac gelegenen Appellation Cérons. Wir sind begeistert von der hohen Qualität und den schön herausgearbeiteten Jahrgangsunterschieden!

Bordeaux Château de Cérons
Giorgio Cavanna vom Château de Cérons

Der Jahrgang 2018

Neben den freundschaftlichen Besuchen mit unseren Winzern hatten wir auch die Möglichkeit, auf verschiedenen Châteaux den Jahrgang 2018 zu verkosten. Viel wurde erzählt von diesem sonnenverwöhnten und heissen Jahr, darum nur kurz: Die Weine zeichnen sich durch viel verführerische Frucht, perfekt ausgereifte Gerbstoffe, Kraft und Konzentration aus. So weit so gut, was den Jahrgang aber hervorragend macht, sind seine überraschende Frische, Präzision und Eleganz!

Am Ende dieser eindrücklichen Reise bilanzieren wir, dass das Bordeaux nach wie vor ein Hot Spot der Weinkultur ist. Das Niveau ist generell sehr hoch. Wir entdecken viele unterschiedliche Stile und doch zieht sich ein roter Faden durch die Weine: die meisten zeichnen sich durch eine typische bordelaiser Charakteristik aus. Bekräftigt werden wir in unserer Ansicht, dass ausgezeichneter Bordeaux keineswegs teuer sein muss. Auch Weine aus weniger renommierten Regionen zeichnen sich durch Vielschichtigkeit, Balance und gutem Reifepotential aus. Neben den Grand Cru Classés besitzen die Weine eines der besten Preis-/Leistungsverhältnisse der Welt!