Winzer in der Presse

Brutal autochthon: Der Blaufränkische von Roland Velich

Manfred Klimek | 05.03.2021 | Lesezeit 3 Min. Brutal autochthon: Der Blaufränkische von Roland Velich

„Ein Rotwein für Leute, die das Schmecken nicht verlernt haben“

Roland Velich zählt zu den großen Pionieren seiner Zunft. Aus dem autochthonen Blaufränkischen keltert der Winzer aus dem Burgenland seit bald 20 Jahren eine neue Art von Rotwein – kühl, vielschichtig und maximal elegant.

Roland Velich werkt in seiner großen, offenen Küche in seinem Haus im Burgenland. Er schiebt einen Zander aus dem Neusiedlersee in den Ofen. Eine Flasche Weisswein steht zum Lüften am Tisch, eine Flasche Rotwein auch – es ist ein älterer Jahrgang, 14 Jahre alt. „Viele denken, dass filigrane und schlanke Blaufränkische nicht gut altern können“, sagt Velich, der gewohnt ist, dass man seine sehr speziellen Weine mit den herkömmlichen Blaufränkischen der Region vergleicht. Aber das sei nur eines der vielen hartnäckigen Vorurteile gegen delikate und vielschichtige Rotweine.

Velichs Weingut heißt „Moric“. Der Winzersohn und ehemalige Croupier füllte 2003 die ersten Flaschen seines brutal autochthonen Blaufränkischen aus dem Jahr 2001 ab. Es war der erste Wein dieser Regionalweinbewegung, der international Furore machte. Die Etiketten zeigen weder Grafik noch Fotografie, sondern nüchterne Schrift, Schwarz auf Weiss.

Vor 20 Jahren hielt man es für ausgeschlossen, dass von einem Wein, dessen Label so aussieht wie die Beschriftung eines Elektrobausatzes, auch nur eine Flasche verkauft werden könnte. „Heute verkaufe ich mehrere Zehntausend Flaschen Blaufränkisch in viele Länder“, sagt Velich. „Oft auch an Kunden, die die Rebsorte gar nicht kannten oder nur ihre Marmeladevarianten.“

Viele Winzerkollegen zweifelten an seinem Tun, aber das war Velich stets herzlich egal. Erst recht egal war ihm, ob er sympathisch rüberkam – die Leute im Land nahmen ihn vor allem als Klugscheißer wahr. Velichs Heimat ist nicht die Republik, das Staatsgebilde, sondern die Region. „Was sich heute auf beiden Seiten der Grenze erstreckt, war früher ein rein ungarisches Weinbaugebiet“, erklärt Velich. „Österreich hat das nur geerbt. Und dann die falschen Weine favorisiert.“

Die Weinszene gab Velich keine Chance

Velich forderte vor Kollegen, dass man hier, im österreichischen Teil, aus dem Blaufränkischen (Lemberger) eine neue Art Rotwein keltern solle: kühl, maximal elegant und – wie sonst eigentlich nur Weißweine – auf den Transport der Salze des Bodens ausgerichtet; Weine also, wie sie hier vor der Kraftlackl-und-Fruchtbomben-Moderne der 1990er-Jahre über Jahrhunderte gekeltert wurden.

2001 gab es niemanden in der Weinszene, der diesem Konzept eine Chance gegeben hätte. Grund dafür war auch, dass die Tester des einflussreichsten Weinjournalisten Robert Parker ihre Höchstwertungen damals nur Weinen des genau gegenteiligen Rotweinstils gaben. So blieb Velich allein mit seinen Forderungen. Und er begriff, dass es nun an ihm war, Beweise folgen zu lassen.

„Ohne Skandinavien wäre nichts gegangen“, sagt Velich, dessen Morice man in vielen gehypten Restaurants der Nordic Cuisine findet. Schweden, Dänemark, Norwegen und die dortigen Sternerestaurants: Das war der Aufzug nach oben. Denn auf Skandinavien folgte England und auf England die USA. Der österreichische Markt spielte für Velichs Moric-Weine (etwa den Plateau Lutzmannsburg oder den Jagini) nie eine Rolle. Parker jedoch schon: Der eingefleischte Regionalist räumt dort heute oft 95 von 100 Punkten ab – und manchmal auch mehr.

Was hat Velich erreicht? „Ich glaube, ich habe sehr früh ein Thema angerissen, eine Weinart etabliert, die viele nicht am Schirm hatten – dass die kommt, dass es Leute gibt, die genau das trinken wollen.“ Ist es nicht Wein für eine Elite? „Nein“, sagt Velich, „es ist Wein für Leute, die das Schmecken nicht verlernt haben.“

Dieser Artikel erschien am 28. Februar 2021 in der Welt am Sonntag

Roland Velich