Martel schenkt ein

Panini, Pirlo, Pinot Noir – wieso Wein eben doch zu Fussball passt

Nico Matern | 04.06.2021 | Lesezeit 6 Min. Panini, Pirlo, Pinot Noir – wieso Wein eben doch zu Fussball passt

«Ich habe einen schönen Roséwein aus meinem Keller mitgebracht. Stossen wir auf den Sieg an, Männer. Santé!». Haben Sie so einen Satz schon einmal gehört? Ich auch nicht – weder auf dem Fussballplatz noch nach einem gewonnenen Spiel der Lieblingsmannschaft vor dem Fernseher. Aber wieso eigentlich nicht? Landläufig hält sich hartnäckig das Gerücht, Wein passe nicht zum Fussball. Wieso Gerücht? Weil ich es für eben ein solches halte.

Die Faktenlage

Klar zeigen diverse Auswertungen, dass Bier weiterhin der grosse Verkaufsschlager in Stadien ist. Gemäss Expertenschätzungen wird bei 40’000 Zuschauern etwa 8’000 Liter Bier pro Spiel getrunken. Bei Spielen des FC Schalke 04 in der Bundesliga soll dieser Wert sogar bei 30’000 Liter Bier pro Spiel liegen – wenigstens hier sind die Knappen wohl auch nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga noch Spitzenreiter.

Ungleich weniger wird sicher vor dem Fernseher konsumiert. Fakt ist also: Bier gehört zum Fussball wie die Passion der Italiener bei der Nationalhymne, wie die Sportreporter-Legende Hans Jucker zu «Schiiss-Ponys» und wie Kein-Senf zur Olma-Stadionbratwurst. Doch welche Rolle spielt Wein in der Welt des Fussballs und was heisst das für die anstehende Europameisterschaft?

Der Aufstieg des Weines in die Super League der Gesellschaft

Schon lange ist Wein nicht mehr nur ein Getränk für Logenbesitzer. Ich behaupte: Wein zum Fussball-Schauen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dazu eine persönliche Anekdote: An der EM 2016 traf ich mich regelmässig zum Zweier-Public-Viewing mit einem galizischen Freund. Er fiebert mit seinem Heimatland Spanien, ich sowohl mit der Deutschen wie auch mit der Schweizer Nationalmannschaft – gemeinsam teilen wir die Passion zu Wein. Und so gab es an den entsprechenden Spieltagen mehrheitlich Deutschen Riesling, Spanischen Tempranillo und Schweizer Pinot Noir. Am Ende hatte zwar keine unserer drei Mannschaften den Titel geholt, jedoch konnten wir jeden Abend – obgleich er mit Sieg oder Niederlage endete – zufrieden mit atemberaubenden Weinerlebnissen nach Hause gehen. Zwei Nationen verbunden durch die Liebe zum Wein – vor dem Fernseher eine einfache und höchstgenussvolle Sache.

Das Zusammenwachsen zweier Kulturgüter

An den meisten Stadionständen findet man leider noch keinen Wein. Doch trotzdem wächst die Verbindung zwischen dem Wein und dem Fussball. So ist nicht nur Joan Lliberia vom Weingut Edetaria glühender Anhänger des FC Barcelona. Sie sollten ihn und seine Weine einmal kennenlernen – muy simpático. Hoffentlich bietet die nächste Tour des Vins dazu wieder Gelegenheit.

Nein, auch Wein-Sponsorings sind in der Welt des Fussballs gang und gäbe. So ist nicht nur Martel als St. Galler Unternehmen Weinsponsor des FC St.Gallen. Auch die päpstliche, vatikanische Nationalmannschaft lässt sich von dem norditalienischen Weingut Sankt Peter sponsern. Nachdem bereits die päpstliche Garde aus der Schweiz kommt, wäre es für mich nur sinnvoll, auch einen Schweizer Weinsponsor zu nehmen – aber mich hat leider niemand gefragt.

Wie man weiss, fiebert Papst Franziskus regelmässig bei den Spielen seiner argentinischen Nationalmannschaft mit. Nahezu ebenso mächtig als ehemaliger Vorsitzender des grössten Vereins der Welt (Deutscher Fussballbund) war Fritz Keller. Er ist gebürtiger Winzer am Kaiserstuhl. David Beckham besitzt ein Weingut im Napa Valley, Andrea Pirlo eines in den Hügeln von Brescia und gerade diese beiden Fussballer spielten am Ende ihrer Karrieren besser denn je. Ist das Altern eines Fussballers also ein ähnlich grosser Erfolgsgarant für hohe Qualität und Titel wie das Reifen eines erstklassigen Weines?

Die Parallelwelten Fussball und Wein

Mit dem Alter wird ein Fussballer eindeutig erfahrener. Er wird meistens langsamer, kann aber die Komplexität einer Taktik besser lesen, wird gelassener und gleicht Schwachstellen immer mehr mit anderen Eigenschaften aus. Ein gereifter Wein verliert zumeist ebenso ein wenig an Frische, wird komplexer sowie balancierter und (vermeintliche) Schwachstellen in jungen Jahren wie zu harte Gerbstoffe werden mit dem Alter weicher, runder. Einige Parallelen scheint es also zu geben, gerade auch in der Sprache dieser beiden Welten.

Ein Team funktioniert nur als Einheit, ähnlich verhält es sich beim perfekten Zusammenspiel zweier oder mehrerer Traubensorten in einer Cuvée. Dazu wird im Fussball oft von einer perfekten Defensive gesprochen. Gleichermassen kann ein Wein im Bouquet und im Gaumen durchaus defensiv oder verhalten wirken und trotzdem genau dem Anlass entsprechend perfekt sein. Nach längerer Zeit im Dekanter öffnet sich der Wein, ähnlich wie ein Fussballer das Spiel mit einem langen Ball verlagert und somit öffnet.

Wichtig ist in beiden Welten auch die Balance: Die Balance zwischen Struktur und Charme genauso wie das richtige Verhältnis zwischen zurückhaltender Verteidigung und Pressing. Pressing bedeutet Druck und so können auch Weine durchaus mit Druck, Kraft und Fülle daherkommen. Diese Weine werden oft erst einmal gelagert – die Erwachsenen sammeln also Wein, die Kinder Panini-Bilder und einige Fussballer reichlich gelbe Karten. Aber auch im Weinumfeld kann es zu Regelbrüchen und zu gelbwürdigen Meckerns kommen: Vor allem, wenn der Gast den Korkgeschmack bemängelt oder zu wenig Wein von Martel auf dem Tisch steht.

Welcher ist nun also der richtige Wein zum Fussball?

Auch wenn während des Spiels ein die Gemüter abkühlendes Bier bevorzugt wird, sollte zumindest nach dem Sieg mit Wein angestossen werden. Die Wahl des Weines ist hier entscheidend: Er sollte nicht zu komplex sein, denn die tertiären Noten würden in der Aufregung über die letzte Schiedsrichter-Entscheidung wahrscheinlich untergehen und das wäre zu schade. Beim Home-Public-Viewing auf der eigenen Terrasse empfiehlt sich sicherlich ein leichter Weisswein. Zieht es einen für die zweite Halbzeit ins Wohnzimmer, dann sollte es mit steigender Spannung auch ein Rotwein sein. Meine persönliche Empfehlung ist hier ein von der Primärfrucht geprägter Pinot Noir. In jedem Fall sollte er zu den persönlichen Vorlieben passen und der Genuss somit auch während der EM nicht auf der Strecke bleiben.

Fazit

Dieser Artikel zeigt: Wein hat in vielerlei Hinsicht mehr mit Fussball zu tun, als der Volksmund meint. Darüber hinaus verbindet er, genau wie der Fussball, die Menschen und das Gesellige. Man sagt: Fussball ist ein Spiel für alle Menschen und einem Spieler zuzuschauen, könne echter Genuss sein. Auch im Wein geht es oft um Vielseitigkeit und die Gaumenfreude steht an oberster Stelle. Die anstehende Fussball-Europameisterschaft findet in elf Ländern statt, drei davon sind grosse Weinnationen. Welche Argumente sprechen also gegen den Einkauf eines gewissen Vorrats an Wein vor und während der EM – und natürlich auch danach? So werde auch ich mich vorher eindecken und nach dem 2:1-Finalsieg der Schweizer Nationalmannschaft über Spanien sagen: «Hol’ den Schweizer Pinot aus dem Keller, mein galizischer Freund. Es gibt etwas zu feiern!»

Prost!

Nein, besser: Santé.

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Hopp Schwiiz

Quellen
Worldsoffood [2014]. Die Bierpreise in der Bundesliga – Teures Stadionbier

Handelsblatt [2017]. Der grosse Fussball-Durst

Vaticannews [2018]: Vatikan: Fussballmannschaft mit Weingut als Sponsor

Eder, C. [2020]: Il Maestro. Vinum