Winzer in der Presse

«Das ist die Frage der Fragen»

Marcel Baumgartner | 19.10.2022 | Lesezeit 4 Min. «Das ist die Frage der Fragen»

Hier geht es in erster Linie natürlich um Genuss. Doch dahinter steckt auch ein knallhartes Business. Denn der Weinhandel wird von zahlreichen Anbietern bestritten. Der Name «Martel» konnte sich in den vergangenen Jahren gerade auch in der Ostschweiz als starke Marke positionieren. Über seine Philosophie spricht Jan Martel, Geschäftsführer der Martel AG mit Sitz in St. Gallen, im Interview.ausends vor Christus zurückverfolgen. Und trotz dieser enormen Tradition zeigt sich in den Rebbergen von Hettlingen bis ins Chianti, in den Kellern von der Mosel bis ins Lavaux eine erstaunliche Dichte an Innovation und Erneuerungsdrang. 

Jan Martel, sind Sie eher Unternehmer oder eher Genussmensch?

Beides. Unternehmer und Genussmensch bleibt man wohl ein Leben lang – zum Glück ist es eine gute Kombination.

Letztlich sind auch hier die Zahlen entscheidend. Haben Sie schon einmal ein Produkt aus dem Sortiment gekippt, dass sich zwar gut verkauft, aber eigentlich «minderwertig» ist?

Wir wählen den Wein beim Einkauf nach strengen Kriterien aus und kennen unsere Winzerinnen, Winzer und Weingüter. Die Selektion dauert mehrere Runden und es sind ausgewiesene Fachleute aus allen Abteilungen involviert. Auch ich gebe eine Einschätzung. So kommt kein minderwertiger Wein bei uns ins Sortiment. Das ist auch im preisgünstigen Segment so.

Worauf setzen Sie: Auf ein Sortiment, das für jeden Geschmack etwas bietet oder auf eines, das überschaubar und exquisit ist?

Das ist die Frage der Fragen für Weinhändler. Die Antwort gibt die Grösse unseres Sortiments. Wir bieten fast 2000 verschiedene Weine an. Darunter sicher Exklusives, es gibt jedoch auch eine breite Auswahl an Weinen im Bereich von CHF 12 bis 20. Da findet jede und jeder etwas Passendes.  

Sie dürften in all den Jahren schon unzählige Weine degustiert haben. Kann man Sie überhaupt noch überraschen? Und wenn ja: womit?

Ein Sprichwort sagt: Was uns nicht interessiert, kann uns auch nicht überraschen. Ich lerne fast täglich Überraschendes kennen und freue mich darüber. Ein Beispiel sind Naturweine. Auch wenn ich sie nur vereinzelt wirklich mag, ist diese Entwicklung spannend. Wichtig ist auch, dass wir als Weinhandlung unsere Kundinnen und Kunden immer wieder überraschen. Das tun wir mit unseren Neuheiten.

«Die Klimaerwärmung wird in den nächsten Jahren für grosse Umbrüche in der Weinwelt sorgen.»

Ganz allgemein: Welche Länder sind beim Wein derzeit stark im Trend?

Die Nachfrage nach Schweizer Wein stieg während der Pandemie stark an, das gefällt mir. Auch beobachte ich inzwischen wieder mehr Interesse an Überseeweinen. Das Verlangen nach biologisch angebauten Weinen ist praktisch ein Dauertrend.

Und welche haben in den vergangenen Jahren an Ausstrahlung verloren?

Vermutlich sind es eher Weinstile, die nicht mehr so gefragt sind. Stark holzbetonte Weissweine zum Beispiel oder die zu schweren, kraftvollen Rotweine – noch immer ist es die Eleganz, wonach viele Kunden und somit auch unserer Winzer streben.

Gibt es auch hierbei noch «unerforschte Gebiete», Gegenden, die wir künftig auf dem Radar haben sollten?

Natürlich! Die Klimaerwärmung wird in den nächsten Jahren für grosse Umbrüche in der Weinwelt sorgen. Nördliche Gebiete profitieren davon. Stichworte: Rotwein aus Deutschland, Sekt aus England oder Skandinavien.

«Wir bewerten Weine bei Martel bewusst nicht mit Punkten. Eine Zahl wird einem Wein nie gerecht.»

Auf einer Skala von 1 bis 10: Welche Durchschnittswertung würden Sie dem Ostschweizer Wein – ganz allgemein – geben? Wir bewerten Weine bei Martel bewusst nicht mit Punkten. Eine Zahl wird einem Wein nie gerecht. Gerne sage ich: Ostschweizer Wein hat enorm aufgeholt. Viele Weine können sich problemlos messen mit Wein aus den besten Weingebieten. Zudem gibt es in der Ostschweiz einige Spitzenbetriebe, die über die Region hinaus wahrgenommen werden und dadurch auch der Basis helfen.

Wenn noch Luft nach oben vorhanden ist, kann man diese Verbesserung überhaupt noch erzielen oder ist man einfach an gewisse «Rahmenbedingungen» gebunden?

Die Klimaerwärmung hilft dem Ostschweizer Weinbau sicher. Was mir auffällt: Überall auf der Welt ist man stolz auf die lokalen Weine und ist überzeugt, es seien die besten. Nur in der Ostschweiz fehlt dieses Bewusstsein – bis jetzt noch.

Inwiefern hat sich Ihr Unternehmen in den vergangenen 3 bis 5 Jahren entwickelt? Kamen neue Kanäle, neue Sparten hinzu?

Unser Online-Kanal geht ab wie die Post – es ist übrigens der erste Wein Online-Shop Europas und wurde gerade erst wieder mit einem massiven Upgrade ausgestattet. Wir sind in den sozialen Medien aktiv und beobachten die dort (zum Teil schnelllebigen) Trends enorm. Trotzdem: Die persönliche Beratung unserer Kundinnen und Kunden bleibt bei Martel zentral.