Unterwegs im Rebberg

Dem Geheimnis des Rieslings auf der Spur

Jürg Aegerter | 03.01.2024 | Lesezeit 1 Min. Dem Geheimnis des Rieslings auf der Spur

Hallo Deutschland, wir kommen! Das Martel-Team ist oft unterwegs, um die Weinregionen besser kennenzulernen und mit den Winzerinnen und Winzern in engem Kontakt zu bleiben. So lässt sich Weinkultur am besten vermitteln. Letzten Spätherbst waren sieben Martel-Mitarbeitende in Deutschland unterwegs – und degustierten neben Chardonnay, Pinot Blanc und Pinot Noir vor allem Riesling, Riesling, Riesling.  

Wer ein Gruppenfoto macht und alle auffordert, gemeinsam «Riiiesling!» zu rufen, wird mit lachenden und strahlenden Gesichtern belohnt. Worin liegt das Geheimnis des Rieslings? Wir wollen es wissen und gehen der Frage auf einer Reise durch die deutschen Weinanbaugebiete Mosel und Rheingau auf den Grund. Unsere erste Station führt uns zum Weingut Julian Haart in Piesport an der Mosel. Ein junger Betrieb. Julian und seine Frau Nadine übernahmen das Weingut vor einigen Jahren von Julians Onkel und bauten dieses konsequent um: «Ich habe alles rausgeschmissen», sagt Julian. Er gilt als Shootingstar unter den deutschen Winzern. Haart-Weine werden hoch gehandelt. Julian Haart bleibt bescheiden: «Früher dachte ich, man sei klüger als der Weinberg. Heute weiss ich: Die Natur ist der Chef.»

Julian Haart

Riesling-Geheimnis Nr. 1: Weniger ist mehr

«Man muss die Erträge beim Riesling niedrig halten wie im Burgund, um Aromatik und Konzentration zu erreichen. Je weniger man macht, desto klarer bleibt der Stil», ist Julian Haart überzeugt. Wir von der Martel-Reisegruppe können die gesamte Haart-Palette verkosten. Spektakuläre Rieslinge, die herausfordern. Im Aroma, in der Säure, in der Struktur: «Es gibt entspanntere Stile als unseren», erklärt Julian Haart.

Julian Haart

Zusammen mit Nadine bewirtschaftet er nur wenige Hektar bester Steillagen, zum Teil mit bis zu 120 Jahre alten, wurzelechten Reben. Weine aus Trauben dieser Reben (und solche, die ein Jahr auf der Hefe lagern) bekommen bei Julian Haart eine weisse Etikette. Diese Weine sind extrem begehrt. Eigentlich könnten sich Nadine und Julian Haart auf ihren Lorbeeren ausruhen. Doch weit gefehlt: «Wir versuchen, noch feiner zu werden. Unser Geschmack entwickelt sich.» Julian freut sich: «Wenn man Erfolg hat, ist man entspannter.» Seine Frau Nadine ergänzt: «Und man weiss, dass man die Rechnungen bezahlen kann.»

 

Maximin Grünhaus

Riesling-Geheimnis Nr.2: Perfekte Kombination

Maximin von Schubert vom Weingut Maximin Grünhaus empfängt uns vor seinem Schloss, das direkt gegenüber seinen Weinbergen liegt: 34 Hektar an einem steilen Südhang links der Ruwer. Abtsberg, Herrenberg und Bruderberg sind Monopollagen, also im Alleinbesitz und werden selbst bewirtschaftet. Als Leiter des Schloss-Weinguts setzt Maximin von Schubert eine lange Familientradition fort. Vom Schloss aus blickt er über die Weinberge und sagt: «Ich bin mit diesem Weinberg lebenslang verbunden. Mal ist es Freude. Manchmal Verzweiflung.» Obwohl Maximin von Schubert auch Pinot Blanc und Pinot Noir anbaut, liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Riesling.

Maximin Grünhaus

Sein Riesling-Geheimnis? «Er passt so gut zum Essen und es sind Weine mit wenig Alkohol. Ich will beim Weintrinken so viel Geschmack wie möglich und nicht in Schräglage geraten.» Im Weinkeller, der hier ein weitläufiges Weingewölbe mit gut sortiertem Weinarchiv ist, wird uns vor Augen geführt, wie viel Geschichte in diesen Mauern steckt. Später bei der Verkostung sind wir beeindruckt, wie straff und zeitgemäss die Rieslinge schmecken. Herrlich rund, frisch und mini-reduktiv zum Beispiel der SCHLOSS Riesling Kabinett. Die typische Ruwer-Kräuterigkeit ist bei allen Grünhaus-Weinen präsent. Wir probieren das umfangreiche Sortiment und sind begeistert von der Vielfalt und der durchweg hohen Qualität. Zum Abschluss bietet uns Maximin von Grünhaus seine Abtsberg Riesling Beerenauslese 2018 an. Süsse, Tiefe, perfekte Säure und Balance. Wir sind berührt und es wird mucksmäuschenstill im Raum.

Schloss Lieser

Riesling-Geheimnis Nr. 3: Harmonie

Ute und Thomas Haag verwandelten das Weingut Schloss Lieser von einem Problembetrieb in ein hochdekoriertes Weingut. Ihr Erfolg kommt nicht von ungefähr: «Wir sind mit vielen Ungewissheiten gestartet und haben 25 Jahre hart gearbeitet. Unser Motto war immer: Alles aus dem Bauch heraus. Locker bleiben. Wir sind Macher, wir haben das Weingut selbst aufgebaut. Eine eigene Leistung.» Zweimal wurde Thomas Haag in dieser Zeit zum «Winzer des Jahres» gekürt. Eine seltene Ehre.

Schloss Lieser

Ute Haag erinnert sich auch an Rückschläge. «2013 war zum Beispiel ein extremes Hageljahr. Wir hatten keine Ernte. Mein Mann stand im Weinberg und hat uns erst mal nichts gesagt.» Um das Risiko auszugleichen, bewirtschaftet das Weingut heute zehn verschiedene Lagen in unterschiedlichen Orten. Auch die Nachfolge ist gesichert. Zwei der drei Kinder arbeiten im Betrieb mit. Lara Haag im Marketing und Vertrieb, ihr Bruder Niklas im Weinberg und im Keller. Wir sind angetan von der Offenheit und Herzlichkeit von Ute Haag – und von ihren Weinen. Riesling vom Feinsten mit schöner Mineralität. «Das Geheimnis des Rieslings liegt in der Balance», gibt uns Ute Haag auf den Weg mit.

Kaufmann

Geheimnisse Nr. 4 und Nr. 5: Böden und Reife

Ein Schweizer Käser, der im Rheingau mit biodynamischen Methoden hochwertigen Riesling macht. Wir besuchen das Weingut Kaufmann und treffen Urban Kaufmann und Eva Raps in Hattenheim im Rheingau. Ihre Erfolgsstory ist auch eine Liebesgeschichte. «Meine Begeisterung für Wein begann 1999 bei einer Weinprobe von Martel im Neudorf», erinnert sich Urban Kaufmann, der damals noch in der Nähe von St.Gallen eine Käserei führte. 14 Jahre später, auf der Suche nach einem Weingut in Deutschland, lernte er Eva Raps kennen, seine heutige Partnerin im Leben und in der Leitung des 20-Hektar-VDP-Betriebs. «Ein Glücksfall, dass es hier am Rhein mit uns und mit dem Wein geklappt hat», freuen sich beide. Ihre Riesling-Reben gedeihen auch in trockenen Jahren hervorragend. «Das Geheimnis eines guten Rieslings liegt im Boden», ist Urban Kaufmann überzeugt.

Robert Weil

In Hattenheim wächst der Riesling auf Tonlehm. Weil dieser Boden Wasser gut speichert, machen Hitze und Trockenheit den Reben weniger zu schaffen. Mit einem Riesling-Anteil von 78 Prozent gibt es im Rheingau so viel Riesling wie nirgendwo sonst in Deutschland. Wir befinden uns also mitten im Riesling-Paradies. Dies bestätigt der Besuch im Weingut Robert Weil. Hier wird ausschliesslich mit Riesling gearbeitet. Seit vier Generationen ist die Familie Weil im Weinbau tätig und bewirtschaftet heute eine Fläche von 90 Hektar. Ein Vorzeigebetrieb, dessen Weine mit ihrer typischen Finesse eine klare, unverkennbare Linie zeigen. Diese Rieslinge gehören zu den grossen der Welt, die hervorragend reifen. Das Geheimnis liegt also in der Entwicklung der Weine über die Jahre.

Schloss Vaux

Geheimnis Nr. 6.: Es sprudelt!

Auf unserer Martel-Deutschlandreise sind wir dem Geheimnis des Rieslings in all seinen Facetten auf der Spur: trocken, restsüss – und als Schaumwein. Um mehr darüber zu erfahren, tauchen wir im hübschen Weinort Eltville am Rhein in die Welt des Rieslingsektes ein. Dank seiner natürlichen Säure eignet sich der Riesling hervorragend als Basis für Schaumweine. Schloss Vaux ist eine Rheingauer Sektmanufaktur mit historischen Verbindungen nach Frankreich und gilt als eine der besten Sektproduzentinnen Deutschlands. Das Unternehmen gehört einer Vereinigung von Sektliebhabern.

Schloss Vaux

Die Grundweine werden überwiegend von Winzern des Vertrauens bezogen. Mittlerweile besitzt Schloss Vaux 7,5 ha eigene Weinberge oberhalb von Geisenheim. Wir besichtigen den Bio-Rebberg und geniessen die herrliche Aussicht auf die kleine Universitätsstadt und den Rhein. Zurück in der Sektkellerei kredenzen wir als Weinbegleitung zum Abendessen verschiedene Riesling-Sekte: jung, fruchtig, straff, knackig, zitrisch, exotisch, opulent, mit oder ohne Hefe-, Toast- oder Briochenoten. So kommen wir dem Geheimnis des Rieslings Schluck für Schluck näher.