Weinreise Spanien – Von Klassik bis Avantgarde
Hola España, wir kommen! In diesem Winter reisten sechs Martel-Mitarbeitende durch die besten Weinregionen Spaniens und besuchten sowohl sehr traditionsbewusste als auch absolut innovative Weingüter. Das Martel-Team ist oft unterwegs, um die Weinregionen besser kennenzulernen und mit den Winzerinnen und Winzern in engem Kontakt zu bleiben. So lässt sich Weinkultur am besten vermitteln. Martel-Weinberater Alen Boulter war mit auf der Reise und hat sich vom Spanien-Virus anstecken lassen.
Alen, was hat die Spanienreise mit dir als Weinliebhaber gemacht?
Wer mich kennt, weiss, dass ich besonders leichte, finessenreiche Weine liebe. Vor allem Pinot Noir. Das brachte mit sich, dass mein persönlicher Weinfokus in letzter Zeit nicht in Spanien lag. Allerdings habe ich nun auf dieser Spanienreise meine Freude an gehaltvolleren Weinen, die unglaublich ausdrucksstark, komplex und frisch sein können, wiederentdeckt.
Wie kam es dazu?
Bei unseren Besuchen auf den Weingütern und beim Verkosten unterschiedlichster Weine wurde mir bewusst, dass die Vorstellung, spanische Weine seien vor allem kraftvoll, ein Vorurteil ist. Ich war erstaunt über die oft spielerische Eleganz dieser Weine, über die beeindruckende Frische, die auch gehaltvolle Weine zeigen. Absolut hochklassig und faszinierend.
Im heissen Spanien frische Weine zu machen, wie gelingt das?
Das hat zum einen geografische Gründe. Spanische Weinbaugebiete liegen sehr hoch. Für mich war es erstaunlich, dass Spanien eines der höchstgelegenen Länder Europas ist. Viele Reben stehen auf 700 bis über 1‘000 Metern Höhe über Meer. Das sorgt für generell kühlere Temperaturen – und vor allem für grosse Tag-Nacht-Unterschiede. Die Weine erhalten dadurch eine komplexere Aromatik und die Frische bleibt erhalten. Zum anderen ist das lokale Klima ein Faktor. Viele spanische Weinbaugebiete wie zum Beispiel das Rioja sind vom kühleren Atlantikklima beeinflusst. Auch dies sorgt für frische Weine.
Welchen Eindruck hattest du von den Winzerinnen und Winzern?
Es hat mich berührt, mit welcher Akribie, mit welch hohem Können und Qualitätsbewusstsein unsere Winzerinnen und Winzer in Spanien arbeiten. Das war in kleineren und auch in grossen Betrieben der Fall. Enate in Somontano zum Beispiel ist ein Betrieb, der beeindruckende Mengen produziert und auch bei preiswerten Weinen keine qualitativen Kompromisse eingeht. Spitzenproduzenten wie Roda, R. López de Heredia Viña Tondonia, Tr3smano, Pago de Carraovejas und Ossian, sind Qualitätsfanatiker, jeder auf seine Weise.
Was unterscheidet sie?
Entscheidend sind natürlich die völlig unterschiedlichen Terroirs, klimatischen Bedingungen und Traditionen in den verschiedenen Weinbaugebieten wie Somontano, Rioja, Ribera del Duero oder Segovia. Das führt zu völlig anderen Herangehensweisen. Ein prima Beispiel dafür sind die beiden Bodegas in der Rioja-Stadt Haro: R. López de Heredia Viña Tondonia und Roda. Sie liegen buchstäblich Tür an Tür und grenzen beide an den Fluss Ebro. Hier wie dort ist Tempranillo die Hauptrebsorte. Und doch sind die beiden Bodegas völlig unterschiedlich in dem, was sie tun. Die R. López de Heredia Viña Tondonia ist unglaublich traditionell. Hier wird Wein gemacht wie vor 150 Jahren. Im Vergleich dazu ist Roda ein relativ junges Weingut mit einem hochmodernen Keller.
Traditionell oder modern: Was ist deiner Meinung nach besser?
Gerade nach unserer Spanienreise finde ich eine Bewertung in diesem Bereich fehl am Platz. Ob traditionell oder modern ist eine reine Stilfrage. Moderne oder traditionelle Herstellung sagt nichts über die Qualität des Weines aus.
Wir sind in der glücklichen Lage, das Beste aus beiden Welten anbieten bzw. trinken zu können. Traditionelles und Modernes sind gleich wichtig und es ist ein Privileg, dass wir von Martel das in der Schweiz entsprechend vermitteln dürfen. Es war eindrücklich zu sehen, wie Roda an der Qualität feilt und immer besser wird und wie die Besitzerfamilie von R. López de Heredia Viña Tondonia seit Generationen mit ausgereiften Lösungen die Messlatte hoch hält. Es braucht beides. Für uns Weinliebhaber ist dieses Nebeneinander inspirierend und ein Glück. Ich glaube es verhält sich ein wenig wie mit dem Essen. Einerseits wurden wir in einem traditionellen Familienbetrieb verköstigt, der seit über hundert Jahren das gleiche Menu anbietet, um andererseits am folgenden Tag die modernsten Tapas serviert zu bekommen. Ich fand diese Abwechslung ausgezeichnet.
Wie innovativ sind Spaniens Winzerinnen und Winzer?
Für mich war es ein prägendes Erlebnis, das Spitzenweingut Pago de Carraovejas zu besuchen. In diesem Vorzeigeweingut wird modernste Technik eingesetzt. Elektronische Sonden messen die Bodenfeuchte, bei Frostgefahr springen automatisch Windmühlen an. Neuester Stand der Technik. Das alles dient der Qualität. Einen beeindruckenden Weg zwischen Tradition und Moderne geht derweil der Winzer Pedro Aibar von Tr3smano. Er sucht Lagen mit uralten Reben, pflegt sie mit viel Handarbeit und keltert in einem supercleanen Hightech-Betrieb schlicht grossartige Weine. Diese modernen Weine aus alten Reben sind rund, tief, komplex und lang. Als eigentlicher Pinot-Fan war ich tief berührt bei der Degustation. Im Zusammenhang mit dem Thema klassisch und modern gilt es den Pioniergeist von López de Heredia Viña Tondonia hervorzuheben. Seit 1877 wird dort Wein auf Weltklasseniveau produziert. Was heute als traditioneller Stil angesehen wird, war vor 150 Jahren absolut avantgardistisch.
Wir sprachen fast nur noch über Rotwein, ein Zufall?
Tatsächlich gilt Spanien bei uns als Rotweinland, obwohl Weisswein mengenmässig genauso wichtig ist und auch qualitativ mehr als überzeugt. Wir sind uns zum Teil gar nicht bewusst, wie hochwertig spanische Weissweine sein können, zum Beispiel von der Atlantikküste, aber auch aus dem Rioja-Gebiet oder in der Hochebene bei Madrid, in der Region Segovia. Hier stehen uralte Verdejo-Reben, die ältesten darunter sind über 200 Jahre alt. Da staunten wir nicht schlecht. Der Besuch auf dem Spitzenweingut Ossian zeigte uns, wie superelegant, komplex und frisch beste spanische Weissweine sein können. Mineralisch, geradlinig. Eine echte Bereicherung für unser Sortiment. Diesen Besuch möchte ich nicht missen. Nach dieser Reise gebe ich meine Begeisterung für das vielseitige Weinland Spanien mit viel Freude weiter.
Weinland Spanien in Zahlen
Grösster Weissweinproduzent der Welt
Fläche: rund 900’000 ha (global grösste Rebfläche, Anteil weltweit 13%)
Rebsorten: gegen 250
Wichtigste Rebsorten in Prozent: Airén (weiss), Tempranillo, Bobal
Durchschnittliche Höhe: 650 Meter über Meer
Winzer: rund 150’000
Bodegas: rund 5’000
Anteil Weiss- und Rotwein: je rund 50%
Bevölkerungsdichte: 91 Personen pro km2 (Schweiz: 220 Personen pro km2)
Wo Winzer einkehren
Guter Wein, gutes Essen, gutes Leben.
Im Städtchen Haro im Rioja dreht sich alles um Wein – und ums Essen: Das Restaurante Terete ist ein Klassiker. Wir besuchten das Lokal gemeinsam mit Maria von der Tondonia-Besitzerfamilie. Zum Hauptgang gabs ein Lamm aus dem Ofen. Butterzart. Zuerst eine warme Chorizo, dann eine Menestra, die eine typische Gemüsespeise zu sein scheint. Dazu tranken wir eine 1991-Reserva von der Bodega López de Heredia Viña Tondonia. Ein über 30 Jahre gereifter Wein. Topfit und ein Traum. In Penafiel im Duero-Gebiet führte uns Pedro Aibar von Tr3smanos ins El Lagar de San Vicente. Hier sind die Tapas modern, witzig – und haben uns genauso gut geschmeckt wie die traditionellen. Muy bueno!