Bordeaux-Böden: Alles Gute kommt von unten
Im südwestfranzösischen Weinbaugebiet Bordeaux lässt sich der Einfluss des Bodens auf den Wein besonders gut erkennen. Dies, weil sich andere Faktoren wie das Wetter oder die Steigung des Weinbergs im Bordelais relativ wenig unterscheiden. So zeigt sich: Die Böden tragen einen wichtigen Teil zum Ausdruck eines Weines bei. Unser Weinberater Reinhard Mayrböck war im Spätherbst 2023 mit anderen Martel-Mitarbeitern in Bordeaux unterwegs – den Blick auffällig oft auf den Boden gerichtet.
«Der Boden macht den Bordeaux. Das zeigt sich am eindrucksvollsten beim Spitzenweingut Château Lafleur in Pomerol (Bild oben rechts). In den Weinbergen direkt neben dem Château sind die unterschiedlichen Bodenstrukturen mit blossem Auge erkennbar. Die Lage «Les Pensées» zieht sich als schmaler Streifen Pomerol-Ton durch die Weinberge direkt am Château. Auf dem Pensée-Untergrund, der sich durch die Lafleur-Parzelle schlängelt, entsteht ein eigener Cru, der sich in seinem Charakter deutlich von den Weinen der umliegenden Lagen unterscheidet. Die Bodenbeschaffenheit hält sich nicht an die Rebzeilen. «Deshalb werden die einzelnen Crus bei der Lese mit Absperrband markiert», erklärt Winemaker Omri Ram. So wird verhindert, dass Trauben von anderen Parzellen in den Cru gelangen.
Der Boden zeigt den Wein
Omri Ram erzählt uns, dass alle 6 Crus von Château Lafleur mit der gleichen Sorgfalt, denselben Standards und den ähnlichen Methoden produziert werden. Die Weinbereitung und der Ausbau erfolgen für alle Weine nach den bewährten Grundsätzen des Weinguts. So unterscheiden sich die Weine des Château Lafleur zu einem guten Teil durch die Böden, auf denen die Reben wachsen. Wir sind beeindruckt und verzaubert von den Lafleur-Weinen, die uns wie von einem anderen Stern erscheinen. Mythisch und einzigartig in ihrer Kraft und Finesse.
Château Figéac: ungewöhnlich steinig
Nach dem Besuch von Château Lafleur, das uns trotz seiner herausragenden Stellung recht bodenständig erscheint, entführt uns Château Figeac in eine Welt voller Noblesse. Figeac ist eines der ältesten und renommiertesten Châteaux im Bordeaux. Vor unglaublichen 2000 Jahren wurde es von den Römern gegründet. Seit 1892 und bis heute steht Figeac im Besitz der Familie Manoncourt. Von den 54 Hektar Land sind 41 Hektar mit Reben bepflanzt, der Rest besteht aus Alleen, Häusern und Gärten.
Château Millery gehört mit 0,82 ha ebenfalls zum Familieneigentum. Château Figéac ist eine Ausnahme in St. Emilion, was die Böden betrifft. Diese sind steiniger und eignen sich besonders gut für den Anbau von Cabernet Sauvignon. Auch hier gibt also der Boden den Ton an.
Der Figeac des Jahrgangs 2020 zum Beispiel besteht zu fast gleichen Teilen aus Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon. Das ist ungewöhnlich für die von Merlot dominierte Appellation. Figeac-Weine sind wie aus einer anderen Welt: ausgewogen, voller Spannung, mit grossartiger Struktur und feinkörnigen Tanninen. Wir heben kurz ab.
Nicht weit von Lafleur und Figeac besitzen Château Chambrun und Château Moncets Parzellen auf dem Plateau Lalande-de-Pomerol. Das Team um Kellermeister Julien Noël keltert hier spannende Bordeaux mit feinen Fruchtnoten und bestem Preis-Genuss-Faktor unweit des Ultrapremium-Weinguts Château Pétrus. Dessen Merlot-Reben – wie auch die von Château de Chambrun Le Bourg – stehen auf blauer Tonerde (Bild oben rechts). Einer der Vorteile dieses ikonischen Bodens: Er speichert Wasser. Merlot gedeiht auf blauer Tonerde zu Weltruhm.
Essen wie Gott in Frankreich
Restaurant-Tipp von Martel-Weinberater Reinhard Mayrböck
«Das Restaurant Le Tertre ist mein absoluter Geheimtipp in St. Emilion. Das Essen in diesem familiengeführten und sehr charmanten Lokal mit nur 6 Tischen begeisterte uns. Wir finden: Eigentlich müsste das Le Tertre mit Sternen ausgezeichnet sein. Die Gerichte sind modern interpretiert, man spürt leicht asiatisch angehauchte Einflüsse. Geschmacklich ist alles sehr raffiniert. Zudem ist der Blick auf die Altstadt von St-Emilion und die kleine, verträumte Gasse einfach wunderschön.» Link
Nicht nur Kies am linken Ufer des Bordeaux
Château Dutruch Grand Poujeaux liegt in der Gemeinde Poujeaux in der kleinen Appellation Moulis-en-Médoc, etwas zurückgesetzt von der Gironde, rund 40 Meter über dem Meeresspiegel. Auch hier spielen die unterschiedlichen Böden eine bedeutende Rolle. Vier Fünftel der Weinberge liegen auf den tiefgründigen Kiesböden des Plateau Grand Poujeaux, die als das beste Terroir von Moulis gelten. Diese Böden werden auch als «Terrasses de type 3» bezeichnet, wie man sie in St-Julien und St-Estèphe kennt. Die restlichen 20% der Dutruch Grand Poujeaux-Reben stehen auf lehmig-kalkigen und sandigen Böden.
Diese Vielfalt an Untergründen verleiht den Weinen Komplexität und Reichhaltigkeit. Von den 31 ha Weingärten sind 61% mit Cabernet Sauvignon, 43% mit Merlot und je 3% mit Cabernet Franc und Petit Verdot bepflanzt. Um die Feinheiten der einzelnen Lagen herauszuarbeiten, verarbeitet das Team um Winemaker Sébastien Olivar die Ernte in 75 (!) Plots, die anschliessend cuvetiert werden. Ein enormer Aufwand, der sich lohnt. Die Weine Château Dutruch Grand Poujeaux überzeugen durch Ausgewogenheit, Eigenständigkeit, Finesse und subtile Kraft.
Positiver Einfluss von unten
Das 8 ha kleine Weingut Château Lespault-Martillac liegt auf einer kleinen Anhöhe in Pessac-Léognan unweit der Stadt Bordeaux. Die Weinberge befinden sich auf einem Hügel am höchsten Punkt der Gemeinde Martillac. Wir staunen einmal mehr. Denn auf der Anhöhe stehen – eher untypisch für das linke Ufer des Bordeaux – etwas mehr Merlot-Reben als Cabernet Sauvignon-Pflanzungen. Der Merlot gedeiht hier wohl deshalb so gut, weil der kiesige Boden hier auch Sand und Lehm enthält (Bild oben links).
Olivier Bernard von der Besitzerfamilie, der auch die Domaine de Chevalier gehört, führt uns über das Weingut (Bild oben rechts). Wir probieren die Weine und sind begeistert von der Aromatik, Frische und Komplexität. Dunkle Fruchtnoten ergänzen sich mit helleren. Das Holz ist sehr gut eingebunden, die Tannine zeigen sich wunderbar reif und rund. Ein eleganter, sehr ausgewogener Wein mit ziemlich langem Abgang. Besonders schön daran: Die Preise für diese wunderbaren Terroir-Weine bleiben am Boden.»
Bordeaux-Böden
Am rechten Ufer von Bordeaux, in den Appellationen Saint-Emilion und Pomerol, findet man ton- und kalkhaltige Böden. Sie lassen das Wasser gut abfliessen und speichern gleichzeitig die Feuchtigkeit. Besonders in Trockenperioden profitieren die Reben davon. Rebsorten (meist Merlot und Cabernet Franc), die auf ton- und kalkhaltigen Böden angebaut werden, bringen gerne ausgewogene, elegante Spitzenweine mit geschmeidigen Tanninen hervor.
Am linken Bordeaux-Ufer, in den Regionen Médoc und Graves, findet man häufig Kies- und Kiessandböden. Diese Böden sind wasserdurchlässig. Das hat zur Folge, dass die Reben (häufig Cabernet Sauvignon) tief wurzeln müssen, um in Trockenperioden ausreichend Wasser zu bekommen. Oft entstehen hier Weine von Weltklasse mit kräftiger Struktur und festen Tanninen. Im Sauternes gedeihen weisse Trauben für Süssweine besonders gut auf rotem Sand, der auf Kalkstein liegt.
Die Region Entre-Deux-Mers zeichnet sich durch sandige Böden aus. Diese Böden speichern nur wenig Wasser. Weine, deren Reben auf sandigen Böden stehen, sind oft leichter und fruchtiger.