Interview mit Jürgen von der Mark

«Das deutsche Rotweinwunder»

Jürgen von der Mark gilt als einer der besten Kenner deutscher Rotweine. Er ist Master of Wine und arbeitete erst als önologischer Berater verschiedener Weingüter in Deutschland. Seit 20 Jahren produziert von der Mark in Südbaden eigenen Wein. Seine Pinot Noirs in burgundischer Stilistik gehören zu Deutschlands Spitzengewächsen. Im Gespräch mit Martel ordnet er den Stellenwert des deutschen Rotweins ein.

«Der deutsche Weinbau profitiert klar vom Klimawandel»

Jürgen von der Mark, wie beurteilen Sie das «deutsche Rotweinwunder»?
Ich persönlich habe den Aufschwung des Rotweins von einem Nebenprodukt zu einem wichtigen Produkt der deutschen Weinbranche voll miterlebt. Bis auf wenige Ausnahmen war in den 80er-Jahren oder 90er-Jahren Rotwein aus Deutschland ja fast schon etwas Obskures. Heute sind deutsche Rotweine Paradeweine, vor allem die Pinot Noirs.

Woher kommt die Qualitätssteigerung?
Der Grund liegt sicher in der technisch hohen Ausbildung der Winzerinnen und Winzer. So schafft man Qualität. Zudem können wir heute weit besser mit den Witterungsverhältnissen umgehen. Und natürlich stimmen die natürlichen Voraussetzungen: Wir haben gute Böden und ähnliches Wetter wie das Burgund. Es ist hart, dies so sagen zu müssen, aber in den letzten Jahren profitierten wir von der Klimaerwärmung.

Sie sagen das ungewöhnlich offen.
Ja, mir ist bewusst, dass der Begriff Klimawandel negativ besetzt ist. Doch das wärmere und trockenere Klima ist für den deutschen Weinbau von Vorteil. Seit 20 Jahren und sicher noch für 20 Jahre. Wir profitieren aktuell regelmässig von wärmeren Jahrgängen – inzwischen können wir auch mit Hitze umgehen. Ich stieg 2003 mit einem unerwartet heissen Jahrgang ein und war gefordert. 2022 war es auch heiss und wir kelterten grosse, feine Weine. Auch beobachten wir, dass sich die Reben anpassen.

Wo sehen Sie die Risiken des Klimawandels?
Er stellt uns vor neue Herausforderungen. Es gibt sicher öfter Spätfröste und Hagel und Trockenheit können zum Problem werden. Zum Glück habe ich in meinen Weinbergen tiefgründige Böden, die fehlenden Regen aushalten. Obwohl: 2022 war für meine jungen Anlagen sehr trocken. Mit gezielter Laubarbeit können unsere Trauben vor zu viel Sonneneinstrahlung schützen. Deshalb wiederhole ich: In der Summe profitieren wir sicher vom Klimawandel.

Jürgen von der Mark

Weiss die Welt, welch hohe Qualität deutsche Pinots inzwischen haben?
Ich exportiere über die Hälfte meiner Spätburgunderweine. Deutscher Pinot bietet viel Qualität fürs Geld. Gerade im Vergleich mit dem Burgund und dessen hohem Preisniveau.Allerdings geht es vielen Pinot-Fans mittlerweile nicht mehr einfach um eine günstigere Alternative zum Wein aus dem Burgund. Unsere eigene, deutsche Weinkultur wird geschätzt. Mein Importeur in den USA zum Beispiel legt Wert darauf, dass wir unseren Wein Spätburgunder nennen und nicht Pinot Noir.

Was wünschen Sie sich für den deutschen Rotwein?
Ich wünsche mir, dass sich die Erzeuger bewusster werden, was für einen Schatz wir hier in Deutschland hegen – und dies nach aussen kommunizieren. Und ich freue mich darüber, wenn sich deutsche Winzerinnen und Winzer noch engagierter mit Rotwein befassen. So wird das Produkt besser und wir können an den Ultrapremium-Bereich anknüpfen. Deutscher Rotwein soll als kulturelle Erfahrung, als ganzheitlicher Genuss wahrgenommen werden – wie eine Oper. Das ist mein Traum.

Weine von Jürgen von der Mark